Methylprednisolon und Mirtazapin

Anne @, Mittwoch, 18. Dezember 2019, 01:40 (vor 1582 Tagen) @ Anne

Einen lieben Gruß in die Runde!

Mir ist es gerade ein Bedürfnis, Euch ein wenig an dem teilhaben zu lassen, was mich gerade umtreibt. Das Forum hier ist ja nur ein Teil der Aktivität von Chrissi. Darüber hinaus hatte sie in den letzten 20 Jahren (und es sind inzwischen 20 Jahre!!!) viele, viele Zuschriften erhalten und zurückgeschrieben und auch hinter den Kulissen dieses Forums Austausch initiiert und aufrecht erhalten.

Ende 2012 plante die Eltern-Zeitschrift einen Artikel über HG. Daraufhin saß ich lange mit einer sehr interessierten Journalistin der Eltern-Zeitschrift zusammen, um ihr die Erkrankung aus Betroffenensicht darzulegen. Diese wollte daraufhin wissen, wie sie auf mich Bezug nehmen kann und ich beschloss, ihr eine Internetadresse zu nennen, die ich zu diesem Anlass überhaupt erst erwarb und die ich mit Erkenntnissen zur HG füllen wollte. Das ist ein großes Projekt und diesem Anspruch bin ich nie gerecht geworden. Doch was sich ganz maßgeblich daraus ergeben hat war, dass damit Chrissi und ich in einen nun seit Jahren andauernden Austausch getreten sind - was übrigens ein sehr, sehr großes Geschenk ist und ich ziehe hier nochmals meinen Hut vor Chrissi. Und insofern habe ich ein wenig Einblick in das, was Chrissi im Hintergrund leistet.

Zu dem, was hinter den Kulissen passiert gehören maßgeblich Mails, manchmal Telefonate, regelmäßige Verweise an Embryotox und Vernetzung von Betroffenen. Sowohl Chrissi wie auch ich bekommen im persönlichen Kontakt mit Betroffenen immer wieder mit, dass Frauen, die sehr, sehr schwer betroffen sind, sich bisweilen im Forum nicht wiederfinden.

Es gibt ja bei der HG die gesamte Bandbreite. Ich erinnere mich an eine der ersten Zuschriften, welche ich erhielt, nachdem meine Internetseite Online war: eine Betroffene berichtete, wie sie sich wochenlang auf der Intensivstation durch die HG kämpfte bis sie zu einem Spätabbruch in den OP geschoben wurde wegen beginnendem Multiorganversagen. Es gibt die Frauen, die monatelang keine Nahrung bei sich behalten - und zwar wirklich und buchstäblich NICHTS und künstlich ernährt werden müssen. Manchmal werden sie aber auch nicht künstlich ernährt und wiegen am Ende der Schwangerschaft (also mit Plazenta und Fruchtwasser und Baby) 20 kg weniger als am Anfang der Schwangerschaft. Demnächst wird der Film SICK seine Prämiere feiern. Der Trailer ist bereits verfügbar (https://vimeo.com/335850235) und da ist eine Frau zu sehen, die ihre Nahrung ausschließlich über Nasensonde zugeführt bekommt und darüber spricht, wie lange sie bereits nichts mehr selbständig gegessen hatte (das ist jetzt nicht auf dem Trailer zu sehen, aber auf dem HG-Kongress in Amsterdam wurde der Film bereits in voller Länge gezeigt). Es haben in den vergangen Jahren auch hier im Forum Frauen geschrieben, dass sie über Sonde ernährt werden, beispielsweise über eine Sonde, welche den Nahrungsbrei durch die Bauchdecke hindurch direkt in den Darm einbringt. Das sind Frauen, die befinden sich mitunter in lebensbedrohlichen Zuständen. (Und auf jedem der internationalen Kongresse ging es bislang auch um die bekanntgewordenen Todesfälle der letzten Jahre ...)

Frauen, die an diesem extremen Ende der HG sind, liegen häufig über Monate im Krankenhaus. Für stellt sich schon längst nicht mehr die Frage nach der Arbeit, nach Meclozin oder auch - was hier ja auch eine Zeitlang kursierte - nach Sauerkraut bzw. "richtiger" Ernährung ... - bei diesen Frauen geht es ums pure Überleben. Von diesen Betroffenen ist mir immer wieder rückgemeldet worden, dass sie nicht glücklich waren über die mediale Aufmerksamkeit der HG durch die englische Herzogin Kate, weil diese ein Bild in der Öffentlichkeit entstehen ließ, dass HG zwar unangenehm sei, aber man trotzdem nach einigen Wochen auf Bahnsteigen mit Menschen in Bärenkostümen tanzen kann. Und das ist nicht die HG-Wirklichkeit dieser Betroffenen. Und diesen Betroffenen ist mir auch rückgemeldet worden, dass sie sich im Forum nicht wiederfinden, weil ihre HG-Wirklichkeit hier zu selten Thema ist.

Was ich immer an diesem Forum hier sehr schätzte war, dass es offen ist für alle, die unter HG leiden. Auch eine im Vergleich mit diesen Extremen "mild" verlaufende HG ist die Hölle. Die Frage darum, wer schlimmer betroffen ist und wer nicht hätte eine Sprengkraft, die ich hier nicht haben wollen würde. Ich selber finde es sehr begrüßenswert, dass wirklich alle hier willkommen sind.

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