Hallo, liebe Vanessa,
Deinen Wunsch nach einem weiteren Kind kann ich gut verstehen – und auch die Angst vor der Schwangerschaft. Ich selber habe zwei Kinder, hätte gerne drei gehabt. Auf ein drittes Kind haben wir angesichts der zweimaligen HG verzichtet. Es hat lange gedauert, bis ich mich von diesem Wunsch habe verabschieden können. Ein zweites Kind gewagt zu haben war rückblickend eine gute Entscheidung. Doch rückblickend lässt sich das leicht sagen. Es war ein harter Weg.
Was mir geholfen hatte war, dass ich mich im Vorfeld eingelesen habe in die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten und diese mit meinen Ärzten (Frauenarzt, Internist) besprochen habe. Es war also im Vorfeld klar, dass ich nicht nur Vomex erhalten würde, würde es schlimm werden. Und was wahrscheinlich noch wichtiger war: ich selber war mit mir im Reinen was die Medikamente anbelangte. Außerdem war besprochen, dass ich ambulant Infusionen erhalten könnte – was ich auch benötigte.
Was die Versorgung des ersten Kindes anbelangte, so hatte ich Glück, dass wir das mit den Großeltern stemmen konnten. Ansonsten aber gibt es die Haushaltshilfen – dazu können Dir andere mehr schreiben. Vielleicht meldet sich ja Bonsai, die sich da hervorragend auskennt.
Was das Verständnis anbelangt, so gibt es ja hier in dem Internetauftritt die Erfahrungsberichte von Chrissi und von anderen Frauen. Ich hatte meinen Mann vor der zweiten Schwangerschaft gebeten gehabt, die Texte zu lesen. Ich habe den Eindruck, dass es für Angehörige und Freunde realer wird, wenn sie Berichte von weiteren Betroffenen lesen. Die HG bleibt exotisch, aber es gibt eben Frauen, die genauso wie Du und ich daran gelitten haben. Das wird durch diese Berichte sehr deutlich.
Dein Sohn wird wahrscheinlich darunter leiden, wenn Du erneut so schwer betroffen sein solltest, wie beim ersten Mal. (Vielleicht hast Du ja auch Glück und es wird leichter – das gab es hier auch schon, wenn es auch nicht die Regel zu sein scheint.) Dafür aber wird er nicht als Einzelkind aufwachsen. Er wird lernen, dass man manchmal viel auf sich nehmen muss, um seine Träume zu erfüllen. Er wird im Falle eines zweiten Wagnisses keine Mama haben, die um den Verlust trauert, kein zweites Kind zu bekommen. Ich denke, man muss das realistisch sehen: die HG fordert einen hohen Preis. Das hast Du Dir nicht ausgesucht. Das ist einfach so. Und auch Euer Sohn ist davon betroffen. Aber die Wunden können heilen. Ich selber bin froh, kein Einzelkind zu haben. Und ja: Mama so schwer krank erlebt zu haben hat sicherlich Spuren hinterlassen – aber so ist das Leben. Es gibt Dinge, die kann man sich nicht aussuchen. Andere kämpfen mit Krebserkrankungen in der Familie. So betrachtet finde ich, haben wir großes Glück gehabt. Und diesen steinigen Weg für ein Geschwisterchen beschritten zu haben, das hat uns alle auch stolz gemacht.
Liebe Vanessa, jetzt höre ich mal wieder auf mit meinem Plädoyer für ein Geschwisterchen . Was ich in den wenigen Zeilen gelesen habe hört sich nach einer sehr schlimmen Schwangerschaft an. Und nach einer anstrengenden Zeit mit Eurem Sohn. Vielleicht lasst Ihr Euch Zeit mit der Entscheidung, redet miteinander, was es für Euch bedeutet, findet heraus, was Ihr an Unterstützung benötigt, um es nochmals wagen zu können. Hier sind ganz viele Frauen, die das gut nachempfinden können, wie schwer diese Entscheidung ist.
Alles Liebe, Sonja