Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Anne, Freitag, 29. Januar 2021, 01:29 (vor 1154 Tagen)

Hallo ihr Lieben.
Ich hätte niemals geglaubt wieder hierher zu kommen als ‚Patient‘.
Ihr seid wunderbar, das muss ich euch sagen. Ihr habt mir so geholfen. Meine zwei HG Söhne sind inzwischen schon 7 und fast 5 Jahre alt. Ich bin noch immer traumatisiert und wusste sicher, dass ich nie wieder so etwas erleben möchte. Es war die Hölle auf Erden. Mir fehlen auch heute noch die Worte und wie ich soeben dieses Forum aufsuchte, liefen mir die Tränen übers Gesicht. Die Erinnerungen sind zurück und ich habe Panik in mir.

Meinem Mann und mir ist eine Verhütungspanne passiert. Es ist unwahrscheinlich, dass ich schwanger bin. Aber ich habe gerechnet und es gedreht und gewendet und festgestellt, dass ausgerechnet am Tag meines Eisprungs das Unglück passierte. Da half auch keine Pille danach mehr. Er sagt, es wird schon nichts passiert sein. Es ist unwahrscheinlich. Du bist 40.
heute ist/wäre ES+3 und seit 3 Tagen denke ich nur an die HG.

In meinen beiden Schwangerschaften begann es ES+11 wie eine Explosion. Ich wachte auf und es war da und ging bis zur Geburt nicht mehr weg. Ich kotzte bis meine Kinder geboren waren. Ich möchte nie wieder erleben was ich durchgemacht habe. Ich kann auch nicht mehr, es ist keine Frage. Mein Herz rast vor Angst und Sorge. Wenn es wieder losgeht? Wenn sie mich tagelang oder gar zwei oder drei Wochen warten lassen bis ich einen Abbruch durchführen könnte? Ich kann die HG keinen einzigen Tag mehr ertragen. Ich habe solche Angst, dabei war ich nun 5 Jahre entspannt und hatte keine Sorge.

Es macht mich irre aber ich schreibe es mal so wie es für mich ist: ich hab Angst zu sterben und dass mir wieder keiner hilft. Am liebsten würde ich heute alles dagegen tun, dass mein Körper hcg produziert, jetzt und sofort.
Liebe Grüße
Anne (der ihr soooo geholfen habt)

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Sonja2 @, Freitag, 29. Januar 2021, 09:25 (vor 1154 Tagen) @ Anne

Guten Morgen, liebe Anne,

ja, ich erinnere mich an Dich. Du warst die stille Mitleserin und als Du kurz vor der Entbindung Deines zweiten Kindes berichtet hast, durch welche Hölle Du gegangen bist, da bin ich erschrocken. Ist das richtig? Warst das Du?

Kann ich sagen, ich freue mich, von Dir zu lesen? Der Anlass ist ja dafür nicht so passend. Und doch freue ich mich zu hören. Und ich freue mich zu lesen, dass es Deinen beiden Kindern, für die Du so hart gekämpft hast gut geht und Ihr eine intakte kleine Familie seid (was nach HG-Schwangerschaften ja auch nicht so selbstverständlich ist), so intakt, dass sich nun diese Situation ergibt, in der Du nun bist.

Ich schreibe jetzt zu ein paar Gedanken:

1) Die Wahrscheinlichkeit mit 40 bei einem einmaligen ungeschützten Geschlechtsverkehr schwanger zu werden, ist gering. Aber das weißt Du ja.

2) Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei 40-jährigen zu einer intakten Schwangerschaft kommt, ist doch deutlich geringer, als in jüngeren Jahren. Das ist insofern relevant, weil hier immer wieder Betroffene berichtet, dass es bei einer nicht intakten Schwangerschaft NICHT zu einer HG-Symptomatik kam. Du erinnerst Dich vielleicht daran, dass ich hier seit über 10 Jahren dabei bin und viele, viele Geschichten mitbekommen habe. Und das traf auch bei mir so zu: Auch ich hatte zwei Abgänge und hatte in diesen zwei nicht intakten Schwangerschaften noch nicht einmal einen Hauch von Übelkeit, obgleich ich in den intakten Schwangerschaften von einer stärkeren Ausprägung der HG betroffen war.

3) Es gibt Behandlungsmöglichkeiten: Wenn Du dennoch – obgleich unwahrscheinlich – schwanger geworden sein solltest und es zu einer HG kommt, dann kann das behandelt werden.

Ich habe jetzt noch einmal nachgesehen. Soweit ich das gelesen habe bist Du in der letzten Schwangerschaft mit Vomex® und einem Magensäure-Blocker behandelt worden. Stimmt das? Du hast noch in der 36. Schwangerschaftswoche die Nacht mit Erbrechen verbracht, in schlimmen Zeiten 5 bis 10 Mal die Stunde gebrochen, hast von der ersten Geburt berichtet, dass die Wehen weniger belastend waren, als das ständige Dich-Übergeben unter der Geburt. Das klingt nach einem wirklich schweren HG-Verlauf. Mich wundert, dass nie diskutiert wurde, was man sonst noch hätte machen können. (O.K., es wundert mich nicht, denn dazu bin ich natürlich hier schon lange genug dabei um zu wissen, dass die Behandlungsmöglichkeiten selten ausgeschöpft werden und nur allzu oft noch nicht einmal diskutiert werden …)

ES GIBT BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN!!! Da sind sehr wirksame Medikamente dabei, vor allem, wenn sie zügig gegeben werden, bevor sich die Brech- & Übelkeitsspirale nach oben gedreht hat. Es gibt Ansätze, schon mit Konzeption oder positiven Schwangerschaftstest unabhängig von der Symptomatik mit einem Antihistaminikum zu beginnen (dazu zählen das das Agyrax®=Meclozin, und das Doxylamin und das Vomex®=Dimenhydrinat). Bei schweren HG-Verläufen helfen diese Medikamente natürlich nicht. Dann kommen andere Medikamente zum Einsatz, die ebenfalls in der Schwangerschaft – natürlich nach entsprechender Risiko-Nutzen-Abwägung – gegeben werden können.

Mir selber hat Ondansetron geholfen und ermöglicht, die zweite Schwangerschaft durchzustehen. Doch seit 1 ½ Jahren gibt es eine sogenannte Rote-Hand-Information zum Ondansetron, weil es möglich sein könnte, dass dieses Medikament das Risiko einer orofazialen Fehlbildung (also einer Spalte im Lippen-, Kiefer-, Gaumenbereich) geringfügig erhöhen könnte. Bei Frauen, welche Ondansetron verordnet bekamen, stieg das Risiko von 11 auf 10.000 Geburten auf 14 auf 10.000 Geburten. In der Folgestudie des selben Teams, in der man lediglich jene Frauen untersucht hat, die das Ondansetron intravenös erhalten haben (und es nicht nur verordnet wurde, was ja offen lässt, ob es tatsächlich genommen wurde) ließ sich ein solcher Zusammenhang nicht mehr zeigen. Hier waren weder das Risiko der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten noch Herzfehlbildungen erhöht (siehe hierzu auch Embryotox und den Artikel von Prof. Dr. med. Christof Schaefer. Dennoch hat die Rote-Hand-Information weiter Bestand.

Aufgrund der Rote-Hand-Information ist zu beobachten, dass es für schwer HG-Betroffene gerade schwieriger ist, diese Behandlung zu erhalten, obgleich sich Embryotox in schweren Fällen sehr wohl dafür ausspricht. Wenn Du aber die Zeit bis zu einem Abbruch überbrücken musst, dann stellt sich die Situation bei Dir ja anders dar.

Du kannst mit Embryotox telefonieren. Und sprich mit Deinem Arzt. Auch der Hausarzt ist ein guter Ansprechpartner, denn er kann Dir Infusionen geben, bis Du den Termin für einen Abbruch hast – solltest Du tatsächlich schwanger werden und eine HG-Symtomatik entwickeln.

FORTSETZUNG FOLGT ...

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Sonja2 @, Freitag, 29. Januar 2021, 09:36 (vor 1154 Tagen) @ Sonja2

... FORTSETZUNG

4) Ein Abbruch wegen einer HG ist etwas anderes als ein Abbruch, weil die Familienplanung abgeschlossen ist oder weil die Wohnung zu klein ist für ein weiteres Kind oder weil die berufliche Planung durchkreuzt werden würde oder weil die finanziellen Kräfte und Nerven nicht auszureichen scheinen oder weil die Beziehung zu instabil ist oder weil das Kind nicht vom Ehepartner erwartet wird oder … Insofern ist ein Abbruch wegen einer nicht ausreichend therapierbaren HG aus meiner Sicht als medizinische Indikation zu werten. Ein Abbruch aus medizinischer Indikation kann straffrei ohne Beratung erfolgen (Du musst auf die Möglichkeit der Beratung hingewiesen werden) und bei unmittelbarer Gefahr für die Schwangere müssen zwischen ärztlicher Diagnose und Durchführung auch keine Fristen eingehalten werden. Logisch: es geht um den Schutz von Körper und Psyche der Frau und dieser Schutz kann (wenn es jetzt nicht darum geht die Psyche der Frau vor der Last eines behinderten Kindes zu schützen) nicht noch Tage oder Wochen warten.

Jetzt weiß ich um Abbrüche, die bei HG auf der Basis der medizinischen Indikation in der Spätschwangerschaft durchgeführt wurden, z. B. weil ein Multiorganversagen eintrat oder befürchtet wurde. In der Frühschwangerschaft sind alle mir bekannten Abbrüche über die Beratungsregelung erfolgt. Doch es kann gut sein, dass es stillschweigend in den Praxen auch anders gehandhabt wird und ich davon nichts weiß. (HINWEIS: ICH BIN IMMER DANKBAR, HIERZU MEHR ZU ERFAHREN. WER MIR BERICHTEN WILL KANN DAS GERNE ÜBER DEN UMSCHLAG OBEN TUN.)

Ich kopiere jetzt hier den Gesetzestext von §218a hinein:
„Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ (Quelle)

Nun würde ich eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), wie wir sie nachweislich nach HG öfters haben, durchaus als „schwerwiegende Beeinträchtigung des […] seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren“ werten. Eine erneute HG-Schwangerschaft nach einer HG-Schwangerschaft, welche eine PTSD nach sich zog birgt das Potential der Retraumatisierung. Das ist klinisch relevant - das ist kein Schnupfen, das ist keine leichte Verstimmung.

Kaum eine Frau hier hat die Kraft auch noch dafür zu kämpfen, dass ihre Entscheidung für einen Abbruch wegen schlimmer – und leider meist nicht ausreichend behandelter HG – anders behandelt wird als die Entscheidung für einen Abbruch, weil die soziale Situation gegen ein (weiteres) Kind spricht. Doch wenn es darum geht, dass unter COVID-19-Bedingungen ein Abbruch mit großen Wartezeiten verbunden ist, dann ist ein solches Warten in einem miserablen körperlichen Zustand WEGEN DEM der Abbruch ja erfolgen soll eine ganz andere Sache.

Das ist, was mir so gerade durch den Kopf geht. Du kannst Dich auch gerne über den Umschlag bei mir melden. Vielleicht weiß ich ja in Deiner Region von einer Ärztin oder einem Arzt, der mit der Behandlung von HG vertraut ist.

Gerne möchte ich Dir noch zurufen: Mach Dir keine Sorgen! Du stehst nicht vor der gleichen Hölle, durch die Du bereits zwei Mal gegangen bist. Es ist unwahrscheinlich, dass Du die ersten Treppenstufen in diese Hölle überhaupt hinabsteigen musst und wenn ja, so sind das nur die ersten Treppenstufen. Denn im Falle des Falles kannst Du gleich am Anfang eine effektivere Behandlung erhalten. Und es gibt sie übrigens auch noch: jene Frauen, bei denen nach zwei Höllen-HG-Schwangerschaften die dritte Schwangerschaft erträglich war. Eine Frau hat die vierte Schwangerschaft noch nicht einmal sofort bemerkt, so unproblematisch war diese. Das ist jetzt zugegebenermaßen eher selten, aber auch solche Wendungen sind mir bekannt. Also: Mach Dir keine Sorgen. Du bist nicht alleine. Wir sind hier viele, die verstehen und mitfühlen, welche Panik Du gerade hast. Wahrscheinlich vor allem, weil gerade so viele Erinnerungen hochkommen an eine fürchterliche Zeit.

Alles Liebe, Sonja

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Anne, Samstag, 30. Januar 2021, 00:27 (vor 1153 Tagen) @ Sonja2

Sonja,
das gibt es doch gar nicht, dass du dich erinnerst an mich. Du bist ein Geschenk, weißt du das?
Du hast dir so viel Mühe gegeben bei deiner Antwort. Ich wünschte ‚im echten Leben‘, in einer Klinik, hätte ich das je so erfahren. Es tut mir trotzdem gut und macht mir Mut.

Meine Angst gerade ist tatsächlich durch die Erfahrungen entstanden. Bei meiner ersten HG Schwangerschaft brachte mein Mann mich ins nächste Kreiskrankenhaus. Dort lag ich die ersten Wochen. Außer Vomex bekam ich nur Nährstoffe und die Übelkeit war immer da. Die Schwestern bat ich immer höflich am Anfang, sie mögen mir bitte das Essen nicht ins Zimmer stellen, da ich von den Gerüchen massiven Brechreiz bekam.
Sie haben es trotzdem gemacht und ich übergab mich täglich 30 bis 40 mal. Ich wurde trotzdem am Morgen geweckt, um 6.30, fürs das Käsebrot und Aufschnitt Frühstück und alles ging von vorne los. Ich habe mich misshandelt und missachtet zugleich gefühlt. Zu Hause wurden die Symptome nie besser, aber ich war wenigstens zu Hause und es gab weniger Triggerpunkte und ich hatte meinen eigenen Kotzeimer.

Ich weiß noch wie alle an ES+11 los ging. Es ging los und es war da und danach nie wieder weg. Es gab kaum Tage zum Durchatmen. Ich war danach 21 Tage lang nur am Kotzen. Ich stelle es mir so vor: wie soll ich in den Zustand zu einer Beratung? Dieser Gedanke macht mich ganz krank.

Aber du hast auch Recht und es gibt Medikamente VOR der Hölle. Es gibt sie. Ich muss meinen Mann vorbereiten und dafür sorgen, dass er mich in die richtige Klinik bringt.
Unsere Familienplanung ist abgeschlossen, es gibt keine Zweifel. Ich muss den Abbruch vornehmen, weil ich auch eine weitere HG nicht überstehen kann. Wir alle kennen das. Heute denkt man noch, na, dieses Mal wird’s nicht so schlimm. Wenige Stunden später liegt man auf dem Boden der Hölle und denkt an den eigenen Tod.

Jetzt muss ich einige Tage abwarten. Aber ich warte wie ein aufgescheuchtes Huhn auf alles was in mir passiert. Jedes Zwicken und jedes Gefühl der potentiellen Übelkeit.
Anne

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Anne, Samstag, 30. Januar 2021, 00:29 (vor 1153 Tagen) @ Sonja2

Und danke Sonja, für 1) und 2), denn das macht mir gerade doch die größte Hoffnung. Dass mein Körper das von selbst nicht mehr mitmacht.

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Sonja2 @, Samstag, 30. Januar 2021, 13:09 (vor 1153 Tagen) @ Anne

Liebe Anne,

was Du ansprichst ist ein großes Ärgernis und ein ganz Reales. (Genauer gesagt nicht nur ein Ärgernis, aber dazu später.) Ich erinnere mich an eine Frau, zweite, geplante Schwangerschaft, die in einer vergleichbaren Frequenz erbrach wie Du, also auch so etwa 30 bis 40 Mal am Tag, genauso wie bereits in ihrer ersten Schwangerschaft, bei der die HG - so wie bei Dir - auch erst mit Entbindung ein Ende fand. Bei ihr versagten Ondansetron und auch der Behandlungsversuch mit Glucocorticoiden brachte keine Besserung. (Ob die Medikamente in ausreichender Dosierung gegeben wurden, das weiß ich natürlich nicht, denn mir ist bekannt, dass bisweilen auch nur 2 x täglich 2 mg Ondansetron gegeben werden, um dann festzustellen, dass das nichts bringt, obgleich schwer an HG erkrankte Frauen berichten, dass sie 3 x täglich 8 mg benötigen - und das ist auch im Einklang mit den Leitlinien z. B. aus England.) Jedenfalls bat diese Schwangere um einen Abbruch, befand sich aber in einem katholischen Krankenhaus. Man erklärte ihr, dazu müsse sie schon wo anders hingehen. Wie gesagt befand sie sich in einem extrem elenden Zustand. Die Telefonate mit den Konfliktberatungsstellen ergaben, dass keine Beraterin ins Krankenhaus kommen würde und sie schon die Beratungsstelle aufsuchen müsse, woran auch der Hinweis, dass sie seit Wochen stationär behandelt werde, natürlich nichts änderte.

Jetzt ist es nicht unüblich, dass Frauen mit HG, die sich völlig entkräftet und am Ende ihrer körperlichen und psychischen Ressourcen für einen Abbruch entscheiden, behandelt werden wie Simulantinnen, die einfach extrem übertreiben würden und angeblich ein massives psychisches Problem hätten. Sehr eindrücklich hatte das Bettina unter ANDERE BERICHTE am 1.9.2006 geschildert: http://www.hyperemesis.de/Berichte.php?ID=60.

Das andere Ärgernis, welches Du ansprichst, ist die Art, wie Du im Krankenhaus behandelt wurdest. Was Du schilderst von Deinem Krankenhausaufenthalt in der ersten Schwangerschaft, das weist auf einen groben Mangel an Sensibilität hin. Ich erinnere mich gut an diese Gerüche von Krankenhausessen, die durch den Gang waberten, sobald der Wagen die Station erreichte. Meistens bemühte man sich, dass ich alleine im Zimmer liegen konnte. Dumm war es, wenn eine Mitpatientin, frisch operiert, natürlich ihr Essen ans Bett bekam. Da bin ich immer rausgegangen, aber der Geruch hängt ja noch lange im Raum. Doch ich hatte Glück: Man hat mir das Essen nicht vor die Nase gestellt. Ich hatte ganz empathische, mitfühlende, liebe Schwestern gehabt (zumindest in dem einen Krankenhaus, in dem ich lange lag).

Das, jedoch, was Du schilderst, das erinnert mich an doch sehr veraltete Methoden. Es gibt Artikel von vor 100 Jahren, da rühmte sich zum Beispiel ein Arzt, dass er natürlich immer die Patientinnen auffordert zu essen. Er würde die Schwestern anweisen, den HG-Betroffenen völlig selbstverständlich die Speisen vorzusetzen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass man doch wisse, dass die Frauen in der Lage seien dies zu essen, wenn sie sich nur zusammenreißen und nicht so anstellen würden.

Doch jetzt höre ich auf, mich hier aufzuregen und ermahne mich konstruktiv zu werden ;-).

Also wie gesagt: die Wahrscheinlichkeit, dass Du schwanger bist, die ist sehr gering. Ich verstehe das Problem. Wenn der HG-Zustand in seiner vollen Ausprägung zu dem Zeitpunkt einsetzt, zu dem auch ein Schwangerschaftstest positiv werden würde, dann kann Dich ein Test nicht vorwarnen.

Also rate ich Dir, am Montag mit Embryotox zu telefonieren, um in Erfahrung zu bringen, ob es angezeigt ist, dass Du jetzt bereits mit den leichteren Antiemetika beginnst. Es gibt eine Studie (Link zu Pubmed), welche aufzeigte, dass eine Einnahme BEVOR die HG-Symptomatik beginnt einen Vorteil bezüglich der HG-Symptomatik verspricht. Die Frauen, die in der vorangegangen Schwangerschaft bereits an HG litten, haben mit der Einnahme begonnen, sobald sie festgestellt haben, dass sie schwanger waren – BEVOR sie Übelkeit verspürten oder gar das erste Mal erbrochen haben. Soweit ich es der Studie entnommen habe waren auch Probandinnen darunter, die bereits vor der Zeugung mit der Einnahme begonnen haben. Nun ist es so, dass diese Studie von Koren und seiner Arbeitsgruppe stammte, welche von dem Hersteller des Medikaments finanziert war. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden gegenwärtig neu bewertet. Das ist also mit Vorsicht zu genießen und unbedingt mit Embryotox zu klären, was da der gegenwärtige Stand der Erkenntnis ist. Und auch wichtig: Ich bin keine Ärztin. Ich interessiere mich, habe viel gelesen und kann Dir sagen, welche Punkte Du mit Deinen Ärzten besprechen kannst. Das ist hier KEINE Empfehlung bezüglich einer Therapie.


FORTSETZUNG FOLGT ...

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Sonja2 @, Samstag, 30. Januar 2021, 13:16 (vor 1153 Tagen) @ Anne

... FORTSETZUNG

Was ich aber auch noch wichtig finde zu beachten: Antiemetika aus der Gruppe der Antihistaminika können die Reaktionsfähigkeit einschränken und es ist insofern fraglich, ob es eine gute Idee ist Auto zu fahren, wenn man diese einnimmt. Dazu hatte ich früher mal etwas geschrieben. Das findest Du HIER.

Was Du außerdem im Rahmen der Vorberitung tun kannst ist, dasst Du mit Deinem Hausarzt sprichst. Wenn Du umgehend einen Telefontermin bei Deinem Gyn bekommst - um so besser. Doch bei Hausarzt hast Du realistischere Chancen, dass Du mit ihm noch vor ES+11 zu sprechen kannst. Du kannst ihn fragen, ob er im Falle des Falles Dir ambulant Infusionen geben könnte. Das war bei mir in der zweiten Schwangerschaft möglich. Doch jetzt in der Corona-Zeit muss man natürlich sehen, was geht. Der Hausarzt könnte Dir auch – mit Absprache mit der Frauenärztin oder auch ohne – wirksamere Antiemetika verordnen bzw. diese gleich mit in die Infusion geben. Auch das lief bei mir so: manchmal erhielt ich in der Hausarztpraxis Ondansetron gemeinsam mit der Infusion – wobei ich es zumeist vorzog, es zuvor einzunehmen, um weniger häufig auf dieser Arztliege während der Infusion in diese kleinen Nierenschalen (oder auch daneben) erbrechen zu müssen. Und weil das Schmelztabletten sind muss man auch kein Glas Wasser dazu nehmen, auf dass die Flüssigkeit samt Medikament 5 Minuten später wieder den Rückweg antritt.

Aus meiner Erfahrung kann ich Dir da echt Hoffnung machen. Einmal konnte ich dieses Medikament einen Vormittag lang nicht nehmen und ich erbrach ungelogen im 5 bis 10 Minuten-Takt. Mit Ondansetron war mir immer noch schlecht, ich war immer noch nicht in der Lage Flüssigkeiten bei mir zu behalten, ich war immer noch nicht in der Lage mich um mein Kind zu kümmern, doch ich war in der Lage selbstständig zum Hausarzt zu gehen für meine tägliche Infusion und zum Frauenarzt. Ich fand die ganze Situation nicht mehr so belastend wie in der 1. Schwangerschaft, in der ich mir so wahnsinnig wünschte, auch mal nur 5 Minuten frei von Übelkeit zu sein, um durchzuatmen und wieder Kraft zu sammeln und bereit zu sein, den Rest durchzustehen ...

Den Weg in eine Beratungsstelle hätte ich geschafft. Das Gespräch nur mit Spuckeimer, weil Reden ja das Erbrechen fördert, aber es wäre gegangen. Doch ich erhielt nur 4 mg 3 x täglich. Mit 8 mg wäre es womöglich leichter gewesen. Und ich war zögerlich, als mein Frauenarzt einen Versuch mit den Glucocorticoiden vorschlug, was wirklich noch eine Alternative zu sein scheint. Und es hätte noch Mirtazapin gegeben, wovon ich aber zu diesem Zeitpunkt nichts wusste. Mirtazapin wirkt unter anderem am gleichen Rezeptor wie Ondansetron. Manchen Betroffenen hilft Mirtazapin, wenn Ondansetron nicht die Besserung bringt.

Das kriegst Du hin! Wenn es wirklich so kommen sollte. Extrem unwahrscheinlich!

Was mir mehr Sorgen macht ist, welche Auswirkung diese Tage jetzt langfristig auf Euer Sexualleben haben kann. Ob Du zu einer Leichtigkeit zurückfindest.

Ansonsten sind diese Tage eine Chance, dass das in den Schwangerschaften Erlebte heilen kann. Nimm Dir Auszeiten, in denen Du Dich ablenkst und die Angst bittest, erst später wieder vorbeizuschauen. Macht gemeinsam etwas Schönes, geht spazieren, so es die Ausgangsbeschränkungen zulassen, spielt etwas, schaut Euch gemeinsam ein Buch an, erfreut Euch an einer Geschichte, ladest Euch einen Kinder-Kinofilm herunter, bastelt etwas … Euch wird etwas einfallen. Es geht darum, dass Du die Erinnerungen steuerst und sie Dich nicht überrollen. Und öffen meine Links nur in der entsprechenden Verfassung ;-).

Danke auch noch für Deine netten Worte. Sie haben mich sehr gefreut.

In diesem Sinne ein wünsche ich einen guten Samstag!

Liebe Grüße, Sonja

Angst vor ungeplanter Schwangerschaft nach 2 HG-SS

Sonja2 @, Freitag, 05. Februar 2021, 19:46 (vor 1147 Tagen) @ Anne

Liebe Anne,
heute wäre ES+11.
Ist alles gut gegangen?
Liebe Grüße,
Sonja

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