Katrin

 
Die folgende Email mit Erfahrungsbericht kommt von Katrin. (09.01.1998)
 
Hallo Chrissi,

nie im Leben ging es mir so schlecht wie in der Zeit meiner Schwangerschaften. Ich wäre beinahe schwanger im Krankenhaus gestorben. Man ist so tief im Tal, dass man ernsthaft das Gefühl hat man verreckt!

Ich bin jetzt 31 J.alt, verheiratet, 2 Kinder, 1. Schwangerschaft mit 23 J. abgebrochen, 2. Schwangerschaft mit 26 J. - ausgetragen, 3. Schwangerschaft mit 29 J. abgebrochen, Gallenblasen OP Entfernung, 4. Schwangerschaft mit 30 J. - ausgetragen. Das war die Kurzfassung meiner Geschichte. Dahinter verbirgt sich aber ein unermessliches Leiden und keine Akzeptanz oder Verständnis weder von Ärzten, noch von irgend welchen anderen Leuten. Einfach nicht nachvollziehbar und total unbekanntes Problem. Die Kinder sind soweit gesund u. ich bin wirklich dankbar. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich 2 gesunde Kinder haben werde. In der ersten Schwangerschaft dachte ich nur: irgend etwas läuft da schief. Ich habe mich gefragt was los ist. Da kamen aber nur die üblichen blöden Kommentare von Ärzten wie: Sie wollen ihr Kind nicht; Sie sind magersüchtig; Sie simulieren; Stellen sie sich nicht so an! Bei 50 mal spucken am Tag habe ich aufgehört zu zählen. Das Ende war ein Abbruch! Ich war einfach nicht in der Lage so weiterzumachen: kotzen,heulen, kotzen, heulen.... In der zweiten Schwangerschaft dachte ich: so ein Pech kannst du nicht noch einmal haben. Und siehe da, das gleiche Lied von vorne. Ich konnte u. wollte nicht wieder abbrechen. Mein Arzt riet mir zum durchhalten u. meinte, es wird bald besser. Es ist auch besser geworden, aber ich war das erste 1/2 Jahr im Krankenhaus (künstlich ernährt). Ein ewiges raus und rein ins Krankenhaus. Keiner hatte Verständnis. Ich war Versuchskaninchen, mit Medikamenten vollgestopft. Eine Medikamentenvergiftung: ich konnte meine Muskeln nicht mehr kontrollieren, nicht mehr laufen, sprechen, atmen. Mein Vater war zufälliger Weise gerade bei mir, sonst würde ich nicht mehr leben. Die Ärzte haben alles heruntergespielt. Ich habe über 50 mal am Tag Blut und Galle gekotzt. Mein Magen war eine einzige Wunde. Im 6. Monat habe ich 46 kg bei 1,70 m gewogen, Puls 60/40. Ich wollte KEIN KIND mehr, nur noch normal leben u. essen. Zack das wars: doch psychisch! lautete die Meinung der Ärzte... Nach einem halben Jahr war ich endlich in der Lage nach Hause zu gehen, d.h. zu meiner Mutter. Die hat mich am Leben gehalten, denn ich konnte mehr oder weniger nur liegen vor Schwäche u. Gekotze. Selbst der Fernseher hatte so einen Geruch von dem ich kotzen musste. Die blanke Hölle. Tränen, Tränen, Tränen u. am Ende nur Verzweiflung. Danach der Gedanke: NIE WIEDER EIN KIND!

Die dritte Schwangerschaft der gleiche Gedanke: So ein Pech kannst du nicht noch einmal haben. Ganz so schlimm war mein Pech auch nicht haha. Ich musste nur noch 20 bis 30 mal am Tag spucken. Da hab ich dann relativ schnell an Abbruch gedacht, denn meinem ersten Kind und mir wollte und konnte ich die Prozedur nicht noch einmal antun und ewig im Krankenhaus liegen. Ich hatte einfach keine Energie dafür u. habe mich wie auch beim ersten Mal gegen meinen Mann entschieden und habe abgebrochen. Bei den beiden Abbrüchen ist ein Teil von mir gestorben, ich habe Albträume bekommen (dass ich mein Baby im Arm halte) und eine abgrundtiefe Traurigkeit, die ich vorher nie gekannt habe. Und trotz allem noch Optimismus. Irgendwann kam wieder das Gekotze u. ich dachte: wieso muss ich kotzen wenn ich nicht schwanger bin. Wieder das gleiche Gefühl u. die gleichen stechenden Schmerzen. Ich lag am Boden u. hab geschrien vor Schmerzen. Anschließend fogten Arztgänge über 2 Psychologen über Arztgänge. Bis endlich ein Arzt festgestellt hat, dass ich Gallengries habe. Bei der OP kam raus: die Gallenblase war eine einzige Narbe, nicht mehr funktionsfähig, Magen über und über mit Geschwüren übersät. Und scherzhalber noch die Frage: hat es deswegen nicht geklappt mit meinen Schwangerschaften? Der Arzt der mir (mal wieder)das Leben gerettet hat meinte: ja, sie können es ruhig noch mal ausprobieren. Es wird auf alle Fälle besser sein, vielleicht sogar bilderbuchmäßig. Und ich bin tatsächlich noch mal schwanger geworden, im Urlaub. Gleich danach kam die PANIK! Aber es ging. Ich musste weder ins Krankenhaus, noch Medikamente nehmen. Schlecht war es mir trotzdem. Manchmal sogar den ganzen Tag. Ich konnte ganz normal weiterschaffen u. fertig gekochtes Essen u. MC Donald´s essen. Nur kochen u. Kühlschrank haben mich angewidert, da kam schon das Würgen.

Das war meine Geschichte so kurz wie möglich. Heute habe ich zwei Kinder, bald 5 J. und 1 J. und ich liebe sie und genieße die Zeit mit ihnen. Mit meinem Sohn habe ich allerdings schon so meine Probleme. Aber wer weiss woher das kommt, dass er ein Schreikind ist? Vielleicht doch von der Schwangerschaft u. der Zeit danach.

Alle Achtung den Frauen gegenüber, die Ähnliches erlebt haben und vollsten Zuspruch und Mut seinen Weg zu finden und zu gehen.

Alles Liebe Heike