Swenja |
Dieser Bericht ist von Swenja. Danke Swenja ! (12.03.2003) |
Meine erste SS ist schon lange her (94/95). Ich hatte mich nicht nur auf das Baby, sondern auch auf die SS gefreut. Von H.g. wusste ich nichts, ich dachte, man bekommt einen dicken Bauch und den trägt man stolz herum. Da hatte ich mich gewaltig getäuscht: 5. Woche: mir war ganztägig sehr übel und ich war über die Intensität der Überleit entsetzt. In der 5. Woche raffte ich mich ein letztes Mal dazu auf, abends wegzugehen. 6. Woche: Beginn des Erbrechens (nachmittags und abends). Drei Kollegen fragten mich unabhängig voneinander, was mit mir los sei. Mir war sehr übel, viele Grüche führten dazu, dass ich sofort zu würgen begann. Ich hatte zu nichts mehr Energie und stellte alle Aktivitäten, die ich bisher so getrieben hatte (v.a. Sport) ein. Und das änderte sich bis zur Geburt nicht mehr. Lediglich zur Arbeit quälte ich mich noch. 7. Woche: Ich litt entsetzlich unter der Übelkeit und ging jeden Tag vorzeitig von der Arbeit nach Hause, um mich sofort schlafen zu legen. 8. Woche: Ich konnte weder Essen noch Trinken bei mir behalten und habe bei jedem kleinsten Versuch, es doch zu tun, alles erbrochen. Dabei war ich sehr schwach, habe nur im Bett gelegen. Sogar das Einschalten des Radios oder fernsehen war mir zu viel. Bei einem Versuch zu duschen, habe ich mich erst übergeben und bin dann ohnmächtig geworden. Ohne mich abzutrocknen oder auch nur die Seife abzuspülen schleppt ich mich ins Bett zurück und rührte mich erst Stunden später wieder. Nach 4 Tagen ohne Flüssigkeitszufuhr (mein Mann war auf Dienstreise) brachte mich mein Mann - direkt als er wiederkam - ins Krankenhaus (mein FA war im Urlaub). Ich hatte von 60 auf 55 kg abgenommen (bei 172 cm). Im Wartezimmer habe ich mich hingelegt, weil mir sitzen zu anstrengend war. Als ich endlich drankam, gab mir die Aerztin ein Rezept für 5 Passpertin-Zäpfchen (Keine Überprüfung desHarns auf Ketone oder ähnliches). Ich hatte irgendwie gehofft, dass ich dableiben könnte, schon allein, weil mir die Heimfahrt zu anstrengend war. Die Aerztin war der Meinung, dass ich ja noch gar keine Antiemetika ausprobiert hatte und mir dies helfen würde. Tatsächlich konnte ich mit den Zäpfchen etwas trinken (ca. 200 - 300 ml/Tag). 2 Tage später waren die Zäpfchen verbraucht und ich musste mir neue besorgen. Dafür musste ich zur Vertretung meines FA. Die Praxis war ca. 400 von Zuhause entfernt, aber ich war so erschöpft, dass ich mich bis heute an jeden einzelnen Schritt auf dem Weg dorthin erinnere, daran, dass ich 2 h warten musste, dabei bestimmt 8 x die Toilette aufsuchen musste und immer Angst hatte, sie könnte besetzt sein. Ich habe mich nicht getraut, mich im Wartezimmer zu übergeben. Ich bekam ein neues Rezept für 5!! weitere Zäpfchen und eine Krankschreibung für 2!! Tage. Ich war zu krank, um einen Umweg über die Apotheke zu machen und schlich ohne Medizin nach Hause. Am nächsten Morgen wollte mein Mann die Zäpfchen holen, aber sie mussten erst bestellt werden. Ich selber war zu schwach, um sie nachmittags abzuholen. Also wartet ich wieder vollkommen ohne essen und trinken, bis die Zäpfchen einen weiteren Tag später da waren und mein Mann sie holen konnte. Als die Zäpfchen endlich im Haus waren, waren sie wegen der sommerlichen Temperatur zu matschig, um benutzt werden zu können. Ich habe vor Enttäuschung geheult und sie in den Kühlschrank gelegt. So habe ich die 8. Woche vollkommen ohne Nahrung und weniger als 1l Flüssigkeit in der ganzen Woche im absoluten Elend verbracht. Noch nie zuvor war ich so schlimm krank gewesen. 9. Woche: Ich konnte von 7.00 bis 9.00 trotz Übelkeit etwas essen und trinken, davon wurde mir so übel, dass ich den Rest des Tages im Bett verbrachte. Übergeben habe ich aber nur noch abends. Arbeiten konnte ich nicht, obwohl ich keine Krankschreibung hatte. 10.-11.Woche: da ich von 7.00 bis ca. 11.00 essen und trinken konnte (was die Übelkeit verschlimmerte), ging ich wieder arbeiten, musste aber um die Mittagszeit nach Hause. 12.-13. Woche: Ich konnte weder essen, noch aufstehen oder gar arbeiten, aber etwas trinken. Ich hatte inzwischen 8 kg abgenommen und mir war nach wie vor den ganzen Tag übel. Mein FA ermahnte mich, mir doch Mühe zu geben und einfach 5 kleine Mahlzeiten am Tag zu essen. Er hat einfach nicht verstanden, dass das nicht ging. 14.-16. Woche: In meiner Verzweiflung und Erschöpfung, habe ich Urlaub genommen, um mich nicht weiter zur Arbeit quälen zu müssen. Vormittags konnte ich aufstehen und auch essen, aber alles schmeckte eklig und führte zu einem schlechten Gefühl im Mund. Ab Mittag war die Übelkeit vernichtend. Mein FA hat meine Klagen über die Übelkeit einfach ignoriert. 17.-20. Woche: Das Erbrechen ließ nach, die Übelkeit kaum. Ich ging wieder arbeiten, aber imer vorzeitig nach Hause, und sofort ins Bett. 21.-30. Woche: Die erträgliche Phase des Tages dehnte sich bis ca. 15.00 aus, d.h. die Übelkeit war beeinträchtigend, aber nicht vernichtend, verbunden mit Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen. Später am Tag war die Übelkei schlimm und mit unangenehmen Speichelfluss verbunden. Ich war 1 x abends bei Freunden (der Termin wurde viele Woche zuvor ausgemacht, weil es mir dann bestimmt wieder gut ginge), habe mich zu homöopathischen Dosen an Essen überreden lassen, lag den ganzen Abend auf deren Bett und hatte wegen dieser winzigen Mengen an Essen eine superschreckliche Nacht. Abgesehen von der 5. Woche, war dies meine einzige abendliche Aktivität in den ganzen 9 Monaten. 31. - 40. Woche: An guten Tagen konnte ich bis 17.00 essen (an schlechten nur bis 12.00), und ich konnte wieder arbeiten. Mir war aber auch vormittags übel, Geschmackstörungen hatte ich bis zur Geburt, auch litt ich immer entweder unter Mundtrockenheit oder unter heftigem Speichelfluss. Runterschlucken des Speichels war nicht möglich. Ich musste mir einen Geburtsvorbereitungskurs suchen, der spätestens um 18.00 zu Ende war, weil mir noch zu noch späterer Stunde unerträglich übel war. Nach der Geburt wollte ich nie wieder schwanger werden, weil ich mir nicht vorstellen konnte, nochmals 9 Monate auf diese Weise zu verbringen. Auch mein Mann, der mit mir gelitten hatte, wollte mir dies nicht noch mal antun. Retrospektiv ärgert mich vor allem die vollkommen unzulängliche Behandlung meiner Übelkeit in dieser ersten SS, was bei mir, glaube ich, zu einem psychischen Trauma geführt hat. Trotzdem wurde ich (freiwillig) wieder schwanger und - im Gegensatz zu den meisten anderen Berichten - verlief sie ohne!! H.g., obwohl mir wieder 9 Monate sehr übel war. Ich konnte jeden Tag aufstehen und jeden Tag etwas essen (man wird ja bescheiden), fehlte nur einzelne Tag bei der Arbeit und konnte zum größten Teil meine Tochter versorgen. Auch in dieser SS steigerte sich die Übelkeit regelmäßig im Tagesverlauf. Dabei war schlimme Übelkeit mit ekligem Speichelfluss verbunden. Also wollten wir ein drittes Kind. Bereits 3 Tage nach der Empfängnis wusste ich, dass ich schwanger war, denn die Übelkeit begann. Beim Ausbleiben meiner Tage hatte ich schon 2 kg abgenommen. Ab der 6. Woche ging es mir sehr schlecht, ich habe mir Vomex besorgt. Trotz Vomex-Therapie fing das Erbrechen an, anfangs nur nachmittags und abends, 2 Tage später auch vormittags. Am Anfang der 7. Woche hatte ich 3 Tagen ohne Essen und Trinken, aber mit viel erbrechen verbracht und war 6 kg unter Normalgewicht (von 62 auf 56 kg). Die Aufnahme ins Krankenhaus war die logische Konsequenz. Ich bekam nicht nur das uebliche Elektrolyt-Glucose-Infusionsprogramm sondern wurde gleich parenteral ernaehrt , zuerst mittels täglich wechselnder peripherer Zugänge, ab Beginn der 8. Woche mittels ZVK. Da ich zu schwach zum Aufstehen war, bekam ich auch Heparin-Spritzen zur Thrombose-Prophylaxe. Alle Schwestern und Aerztinnen waren supernett zu mir, nur leider hat gar nichts geholfen. Weder Akupunktur (als ich noch zu Hause war hat auch eine Hebamme versucht, mir mittels Akupunktur und Homöopathie zu helfen) noch chinesische Medizin, weder Vomex noch Bonamie mochten irgendetwas an meinem Zustand zu aendern. Ich konnte die 2 Wochen im KH nichts essen und nichts trinken, konnte weder fernsehen, noch Radio hören, lesen schon gar nicht (in 14 Tagen habe ich eine Zeitschrift durchgebläettert), telefonieren auch nicht und auch Besuch konnte ich nicht ertragen. Nicht mal meine Kinder. In der ersten Woche sind sie 3 x gekommen und ich habe sie jeweils nach 5 Minuten wieder weggeschickt. Danach kamen sie nicht mehr. Ich war vollkommen unfähig zu kommunizieren, konnte mich mit keiner Bettnachbarin unterhalten, weil es mir so schlecht ging. Die Übelkeit hat regelrecht einen anderen Menschen aus mir gemacht. Mir war 24 h am Tag uebel, nachts konnte ich vor Uebelkeit nicht schlafen (wenn ich mal fuer 2 h eingenickt war, habe ich mich riesig gefreut), tags auch nicht. Ich habe 24 h am Tag gewartet, bis die naechste Minute rum ist. In der zweiten Woche war ich zu schwach um zu duschen oder die Haare zu waschen. Ich habe wirklich heftigst gelitten. In dieser Verzweiflung ließ ich mich dazu überreden, eine "neue" Therapie auszuprobieren. Die Idee kam von der Psychologin (die mir ansonsten nicht viel geholfen hat). Das Antidepressivum Remergil (Wirkstoff: Mirtazapin) wuerde angeblich in den USA erfolgreich gegen H.g. eingesetzt. Die Gynaekologen hatten bis dato nie davon gehoert. Es ist dasselbe Medikament, das "Tina" (aus deinen Berichten) gerne haben wollte, aber nicht bekam, weil sie im erst in der 9. Woche war. Dieses Medikament wurde weltweit bisher an 8 Frauen mit H.g. (alle jenseits der 12. Woche) eingesetzt und es scheint tolle Erfolge zu haben. Ich war in allergroesster Sorge, dass dieses Medikament Schäden bei Ungeborenen verursacht, habe aber trotzdem diesen Versuch gemacht. Es wird bei H.g. mit 15 mg/Tag dosiert, als Antidepressivum mit 30 mg/Tag. Es war tatsaechlich so, dass mir 2 h nach der ersten Einnahme kaum noch uebel war!!!! Dafuer war ich in einem unbeschreiblichen Erregungszustand, haette buchstaeblich aus der Haut fahren koennen und hatte die Kontrolle ueber meine Haende verloren. Beide Effekte haben sich nach einigen Stunden gelegt, obwohl das Medikament eine sehr lange Halbwertszeit im Blut hat. Trotzdem habe ich es nochmal eingenommen - ohne weiteren Einfluß auf die Uebelkeit. Letztendlich habe ich die SS zu Beginn der 9. Woche abgebrochen, vor allem weil für mich keinerlei Hoffnung bestand, dass sich mein Zustand in den naechsten Wochen aendern wuerde. Ich hatte jegliche Perspektive verloren und die Aussicht, in diesem Zustand noch Wochen verbringen zu müssen, versetzte mich in Panik. Dass ich auch sehr depressiv war, konnte ich selber erst retrospektiv erkennen. Ich war noch nie zuvor im Leben depressiv gewesen, das passt gar nicht zu mir. Alle involvierten Ärzte zeigen Verständnis für meine Entscheidung, niemand hat mehr versucht, mir Hoffnung auf eine baldige Besserung zu machen. Nach dem Abbruch wog ich 8 kg weniger als normal und war unglaublich schwach. Ich kam kaum in die 2. Etage hoch und konnte meine Kinder nicht tragen. Die Uebelkeit ist bis jetzt (12 Tage später) in abgeschwächter Form noch da - der Speichelfluss hat sich 2 Tage nach dem Abbruch gelegt. Neben mir lag in der 2. Woche eine ganz junge Frau, ebenfalls mit H.g. Sie war sehr erschoepft, als sie kam. Aber sie konnte jeden Tag zu jeder Mahlzeit etwas essen, konnte trinken, hat gar nicht erbrochen, brauchte kein Vomex und litt nur dann unter Uebelkeit, wenn sie aufstand. Sie war in der 10. Woche. Obwohl sie bestimmt auch sehr krank war, habe ich sie masslos beneidet. Mir ist aufgefallen, dass in all den vielen Berichten auf deiner HP ganz wenig ueber das Problem des uebermaessigen Speichelflusses geschrieben wird. Bei mir war dies mit der Uebelkeit zusammen das Hauptproblem. Ich hatte solch masslosen Speichelfluss, dass ich im Abstand von ca.1 Minute versuchen musste, ihn auszuspucken. Dies war aufgrund der Zaehigkeit des Schleims immer schwierig und fuehrte oft zum erbrechen. Mein Bedarf an Spuckschalen war gigantisch. Mindestens die Haelfte allen Erbrechens kam vom Speichelfluss, denn auch der Rachenraum war von diesem "Schwangerschaftsschleim" massiv betroffen. Es hoerte auch nachts nicht auf und war mit ein Grund fuer meine Schlaflosigkeit - wie soll man einschlafen, wenn man alle Minute eine Schale braucht? Dagegen scheint es rein gar nichts zu geben - trotz Nachfrage gab es kein Therapieangebot. Ich habe sehr unter diesem ekligen Zustand gelitten. Ich kann gar nicht beschreiben, wie unendlich schlecht ich mich fühle, nicht durchgehalten zu haben - obwohl ich furchtbar Angst davor hatte, für Monate in der SS, der Übelkeit und dem Erbrechen gefangen zu sein. Im nachhinein wünsche ich mir, dass ich mehr Unterstützung gehabt hätte und mir mein Wunsch nach Abbruch der SS nicht so schnell erfüllt worden wäre. Ich überlege immerzu, ob es nicht noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, mir zu helfen. Ich trauere sehr um diese SS, denn ich hätte sehr gerne ein weiteres Kind gehabt. Dennoch weiss ich, dass ich niemals viele Wochen im KH verbringen könnte, schon wegen meiner Kinder nicht. Meine Kinder haben sehr unter meiner Abwesenheit gelitten, sie wurde von einer Haushaltshilfe einer Sozialstation versorgt (d.h. von einer fremden Frau, die aber sehr nett war). Dennoch war ihr Alltag sehr eingeschraenkt (ohne Auto). Ich danke dir nochmal fuer deine Unterstuetzung und die Moeglichkeit, die Berichte von anderen Betroffenen zu lesen. Und ich will dir noch meine Hochachtung und Bewunderung zeigen, dass du es geschafft hast, 3 Monate im KH auszuhalten. |