Elke

 
Dieser Bericht ist von Elke. Danke! (16.10.2003)
 
Liebe Chrissi

Ich bin froh, dass es Leute wie dich gibt, die erzählen was sie erlebt haben und so anderen Betroffenen das Gefühl geben, nicht ganz allein zu sein. Ich finde mich in einigen der Berichte wieder und mein Gefühl beim durchlesen ist das einer enormen Traurigkeit und Wut. Ich habe mir lange überlegt, ob ich dir meine Geschichte schreiben soll, da ich eine von denen bin, die die Schwangerschaft abgebrochen haben und das oft auf Unverständnis und Ablehnung stösst. Meine Kotz-Geschichte hat sich vor 5 Jahren abgespielt und da ich mir nun gegen alle Vernunft überlege, es nochmal zu versuchen, suche ich nach Informationen zu diesem Thema.

Ich hatte mich gerade von meinem Ex-Mann getrennt, wohnte wieder bei meinen Eltern und war in entsprechend verzweifelter Verfassung als ich bemerkte, dass ich schwanger war. Ich wollte das Kind trotz meiner schwierigen Situation bekommen. Ab der 4ten Woche war mir den ganzen Tag Speiübel und bereits vorher hatte ich ständig ein Spannungsgefühl im Bauch und einen komischen Geschmack im Mund. Ich versuchte das üble Gefühl zu unterdrücken, nahm eine spagyrische Lösung gegen die Übelkeit und ging trotzdem zur Arbeit, wo ich mich vor Müdigkeit kaum konzentrieren konnte. Ich musste mich jeden Morgen x-Mal übergeben, konnte kaum aufstehen und hatte Mühe, mich überhaupt aufzuraffen. Der gebeugte Gang vom Bett zur Toilette ist mir in lebhafter Erinnerung. In der Nacht schlief ich wie eine Tote und am Morgen gings dann wieder im Eiltempo zur Schüssel. Ab der ca. 5. Woche speite ich schon den ganzen Tag und beim geringsten Geruch kam mir der Brechreiz. Ich hatte extremen Heisshunger, doch kaum gegessen wurde ich es auch schon wieder auf der Toilette los. Trinken konnte ich nur noch ganz wenig und wenn, dann war mir sofort übel.

Nach einer Woche des andauernden Kotzens und ansteigender Panik, da ich ja arbeiten sollte und für mich alleine sorgen musste, fuhr mich eine Freundin zur Frauenärztin. Diese riet mir, mich nicht aufzuregen und zu schonen. Über Hyperemesis Gravidarum hat sie mich nicht informiert und mich im Glauben gelassen, dass es meine psychische Verfassung sei, die mir
Schwierigkeiten bereite. Nach einer weiteren Woche war ich vollkommen dehydriert und musste ins Spital eingewiesen werden. Dort wurde ich an den Tropf gehängt und kotzte
weiter. Die Ärzte meinten, es sei alles in Ordnung und ich solle mich einfach beruhigen und ob ich denn das Kind nicht wolle!? Meine Bettnachbarin liess sich in ein anderes Zimmer verlegen, da sie meine Brech-Attacken nicht mehr aushielt und auch mein Vater ergriff die Flucht. Nach einer Woche KH schickten sie mich einigermassen stabil mit Tabletten nach Hause, wo das Ganze sofort wieder anfing. Nach ein paar Tagen "ging" ich wieder ins KH und blieb diesmal drei Wochen. Am Tropf, unter dem Neuroleptika Zofran, hängte ich wie eine Tote im Bett und war nicht fähig, mich zu bewegen oder zu denken. Alles was passierte, erlebte ich als Angriff. Die geringst Bewegung wie zur Toilette gehen, aufsitzen, mit Leuten
sprechen, essen... Mein Blutdruck brach immer wieder zusammen und langsam war ich so ausgelaugt, dass meine Eltern mir rieten, doch endlich mit diesem Horror aufzuhören. Als ob es von mir abhinge.. Nachdem ich wieder ein paar Tage zu Hause gewesen war, mit Zofran in Tablettenform, fuhren mich meine Eltern wieder ins KH. Natürlich kotzend.. Das war die 11.
oder 12. Woche.

Die Ärzte schienen sich dann plötzlich auch nicht mehr einig. Eine sprach mit mir und sagte, ich müsse mich doch nicht so quälen, andere meinten, ich müsse das jetzt einfach durchstehen und nach der 12. Woche sei sowieso alles vorbei. Ich wusste überhaupt nichts mehr und wollte nur noch sterben, konnte nicht mehr klar denken . Niemand erwähnte Hyperemesis Gravidarum. Unter Höchstdosis Zofran dämmerte ich weitere zwei Wochen vor mich hin und der Gedanke, dass das Kind aufgrund der Neuroleptika nicht normal
sein könnte, bedrückte mich sehr. Körperlich war ich so ausgelaugt, dass ich kaum sprechen, geschweige denn gehen konnte und wenn ich in den Spiegel schaute, kam mir das blanke Entsetzen. Ich hatte inzwischen 10 kg abgenommen. In der 13. Woche starteten wir einen weiteren Versuch Zofran in Tablettenform und nach 2 Tagen zu Hause wurde ich wieder eingeliefert. Ich konnte nicht mehr, heulte nur noch und wollte dem Ganzen ein Ende setzen. Der liebe Spitalpsychiater liess mich 4 Tage warten, bevor er zu einem Gespräch bei mir vorbeikam und machte mir bittere Vorwürfe; warum ich denn plötzlich abtreiben wolle und ich müsse doch einfach durchhalten, ich solle mich von einem Psychiater behandeln lassen etc. Ich fühlte mich so verzweifelt und hilflos aber ich spürte, dass ich nicht mehr weiterkonnte. Die Ärzte waren sich uneinig und der Chefarzt entschied, dass man bei mir nicht einen normalen Abbruch (Auskratzung) durchführen wolle, sondern ich das Kind nach entsprechender Medikamentengabe tot gebären müsse. Ich wurde also regelrecht dafür bestraft, körperlich und psychisch am Ende zu sein und musste eine Fehlgeburt erleben. Meine Verzweiflung und die Gewissensbisse darüber, die noch heute empfinde, sind nicht in Worte zu fassen..

Erst etwa ein halbes Jahr nach meinem Abbruch habe ich über eine Therapeutin erfahren, dass es dieses unstillbare Erbrechen in der Schwangerschaft gibt und war wie vom Donner getroffen. Niemand (der Aerzte) hatte sich die Mühe genommen, mich aufzuklären oder eine andere Behandlungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen!

Eines ist sicher, ich suche in Zukunft selbst nach Lösungen.

Elke