Juliane |
Juliane ist derzeit schwanger und war "nur 10 Wochen" von Hyperemesis betroffen. Jeder wei?, wie lange auch zehn Wochen mit dieser elendigen ?belkeit sein k?nnen.. (05.02.2011) |
Ich hatte mich immer darauf gefreut, eines Tages schwanger zu sein. Einen runden Babybauch zu bekommen, auf das Gefühl, das frau hat, wenn sie zum ersten Mal ihr Baby im Bauch wahrnimmt, die (ersten) Ultraschallbilder, auf die veränderten Körperwahrnehmungen oder auf komplett neue, veränderte Essgewohnheiten und -vorlieben. Ich war auch immer wild darauf von anderen Frauen, solcherlei Berichte zu hören. Auf meine eigene Schwangerschaft war ich somit seit Ewigkeiten überaus neugierig und konnte es kaum erwarten, eines Tages, diese unglaubliche Erfahrung mitzuerleben. Dann machte ich Anfang November 2010 den Schwangerschaftstest und er war positiv, was mich zunächst komplett überrollte. Diese Schwangerschaft war nicht geplant. Nichtsdestotrotz, mein Freund und ich haben uns gefreut nachdem die Nachricht erstmal verdaut war. Mit der anschließenden Freude hielt es aber nicht lange an: Bereits zu Beginn der sechsten Woche (wir hatten uns gerade mit dem Gedanken angefreund et, bald eine Familie zu sein) ging es los. Mir war ganz plötzlich übel. An dem Tag musste ich noch eine lange Autofahrt mitmachen und steckte vorsichtshalber schonmal Plastiktüten ein. Zum Glück ohne Erbrechen. Im Gegenteil, die Autofahrt lenkte mich sogar ein wenig ab. Die folgenden 10 Tage waren schlimm. Ich musste nicht brechen, aber rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, drehte sich alles nur um die Übelkeit. Mit dem ersten Augenaufschlag bis zum Moment des Einschafens begleitete sie mich durch den Tag und das Gott sei Dank "nur" 10 Wochen lang. Von jetzt auf gleich konnte ich nichts mehr riechen, besonders schlimm empfand ich den Geruch unserer Küche. Ohne die Wohnung zu lüften, hielt ich es dort gar nicht aus. Also riss ich ständig alle Fenster auf. Meine Mitbewohnerin war sauer, weil es bereits November war und ich "rücksichtslos" Kälte reinließ. Sie konnte, wie LEIDER so viele in meinem Umfeld, meine urplötzlich vorhandene Geruchssensibilität und Übelkeit nicht verstehen. Beim Geruch der Uni-Mensa -dieser schwere abgestandene Geruch von deftigem Essen- drehte sich mir der Magen um. Ich brauchte noch nicht einmal in das Mensagebäude hineinzugehen. Selbst wenn ich an "der frischen Luft" war und um das Gebäude einen großen Bogen machen wollte, roch ich es und ekelte mich zutiefst. Ich versuchte zu kochen, trotz -auch in den nächsten Wochen- nicht mehr vorhandenem Appetit (gesunde Ernährung sei ja so wichtig in der Schwangerschaft, wie man es ja in jedem Ratgeber zu lesen bekommt) und versuchte es mit meinen Lieblingsgerichten (z.B. Ricottasauce von Barilla, die ich wohl nun nie wieder kaufen werde). Ich war entsetzt, dass ich ALLES nicht riechen, geschweige denn essen konnte. Ich wagte dann doch einmal in das Mensagebäude zu gehen (ich wollte das Kochen vermeiden und trotzdem dem Kind und mir mal wieder Nahrung zuführen). Das ich an diesem Tag nicht erbrach, wundert mich noch heute. Ich kauerte ne dreiviertel Stunde an m einem Gurkensalat und Kartoffelbrei, legte mir zur Sicherheit schonmal eine Plastiktüte bereit und fragte mich während des Essens, wie ich den mir auf einmal sehr lang erscheinenden Weg aus dem Gebäude hinaus ohne zu Erbrechen schaffen würde. Ich war in Panik. Um mich herum, hunderte von Studenten. Mir wäre es so peinlich gewesen, wenn ich vor denen gekotzt hätte und dann noch in der Mensa.. Fortan betrat ich das Gebäude aus eben diesem Grunde nicht mehr. Ich musste nicht mehr lange warten, dann erbrach ich zum ersten Mal, natürlich ausgelöst durch den Geruch der Küche. Fortan musste ich jedes Mal, wenn ich mein Zimmer verließ (meine Zimmertür öffnete sich zur Küche) direkt zum Klo rennen und heftige Brechattacken durchstehen. Dann zum ersten Mal aber auch Erleichterung: Nach dem Erbrechen blieb die Übelkeit für ein Paar Minuten verschwunden. Nun war es jedenfalls soweit: Tagsüber kotzte ich bereits nach dem Aufstehen und dann in regelmäßigen Abständen. S elbst nachts wachte ich auf, weil ich mich übergeben musste. Ich zog relativ bald u.a. wegen dem Küchenproblem aus zu meinem Freund. Ein anderer Grund war, dass ich bis auf meine Mitbewohnerin niemanden weiter hatte in der Stadt, der sich um mich -im Falle der Verschlimmerung- hätte kümmern können. Mein Studium (zum Glück nur noch Lernen für die Abschlussprüfungen) musste ich erstmal auf Eis legen. Bei meinem Freund ging es weiter. Ich kotzte und würgte, was das Zeug hielt. Zudem kam Sodbrennen dazu, wenn es doch einmal gelang eine Mahlzeit für ein bis zwei Stunden im Bauch zu behalten. Spätestens dann aber erbrach ich mich. Ein weiteres Übel, das die Übelkeit verstärkte und seit der 10 SSW extrem wurde, war der Speichelfluss und Schleim in meinem Hals. Ich produzierte so dermaßen viel davon, dass ich auch deshalb oftmals brechen musste. Den ganzen Tag über spuckte ich ins Waschbecken, Taschentücher oder andere Gefäße, um diesen ekalhaften Speichel loszuwe rden. Von Hyperemesis gravidarum wusste ich nun durch deine Homepage,las die Berichte und konnte sooo mitfühlen. Den ganzen Tag über in diesem jämmerlichen, erbärmlichen Zustand. Nicht zu wissen, ob und wann es aufhören würde, die "berüchtigte zwölfte Woche" herbeisehnend, weinend und fluchend über der Kloschüssel, konfrontiert mit seltsamen Äußerungen wie "Du musst halt mehr essen!" oder "Hör doch auf zu würgen!" oder "Du musst jetzt für zwei denken. So wie du lebst, ist das nicht gesund". Ich war erschrocken darüber, um wie viel schlimmer es anderen Frauen ergangen ist. Ich heulte und fluchte mit! Regelmäßig, wenn ich über der Kloschüssel hing oder über dem Putzeimer. Auch der Küchengeruch bei meinem Freund war unerträglich. Wenn ich die Küche betreten musste, dann hatte ich den Putzeimer immer dabei. Gekotzt habe ich in dieser Wohnung in jedem Zimmer (zum Glück immer in den Putzeimer). Während dieser Zeit hatte ich unentwegt das Gefühl "für etw as bestraft zu werden". Ich musste doch lernen, der Termin meiner Abschlussprüfungen rückte näher und näher. Ich bin seit eh und je recht ehrgeizig und hatte immer gute Prüfungen absolviert. Das Lernen, das ich immer so genoß, funktionierte nicht mehr. Ich konnte nicht ruhig am Tisch mit meinem Buch sitzen. Nichts ging! Einzig und allein schlafen im Laufe des Tages half ein wenig. Zum einen musste ich während dieser täglichen Schlafpausen nicht brechen, zum anderen war ich kurzzeitig befreit von Übelkeit. Aber mein schlechtes Gewissen bzgl. meiner Prüfungen wuchs. Ich behielt wochenlang immerhin eine Mahlzeit bei mir. Das waren Kornflakes mit Milch, die ich relativ bald nach dem Aufstehen essen konnte. Danach schlief ich meistens erschöpft ein und war somit froh, nicht wieder alles erbrochen zu haben. Die übrigen Mahlzeiten erbrach ich ausnahmslos. So gestalteten sich über Wochen meine Tage: Morgens: Aufstehen, Frühstück, danach Schlafen, Erbrechen bis zu 20 M al am Tag und schließlich gegen nachts erschöpft schlafen. Meistens allerdings wachte ich einmal in der Nacht auf um mich dann zu übergeben. Dennoch verlief die Übelkeit in meinem Fall "noch relativ harmlos". Ich verlor insgesamt "nur vier Kilo Gewicht" in den gesamten 10 Wochen. Schlussendlich kam ich bei 54 kg an bei 161 cm Körpergröße. Ich behielt -wie gasagt so gut wie immer- mein Frühstück bei mir und konnte schwarzen Tee trinken mit Zucker. Das war das einzige Getränk, das ich immer und immer wieder trinken konnte (auch wenn ich mich davon mal erbrochen hatte). Alle anderen Getränke (sämtliche Teesorten), Wasser, Kola vertrug ich nicht. In der 14. SSW erbrach ich -nicht zum ersten Mal zwar während meiner gesamten Kotzerei in dieser Schwangerschaft- Blut und hatte Schmerzen in der Kehle. Das Erbrechen war wiedermal unstillbar an diesem Abend. Ich trank Milch um die Schmerzen in der Speiseröhre zu lindern. Wieder gefolgt von Erbrechen und diesmal kam die we iße Milch und "Schwarzes", nämlich "geronnenes Blut" mit hoch (schwarz wird das Blut, wenn es eine Weile mit Magensaft in Berührung war und kann auch auf eine gefährlichere Magenblutung hindeuten). Nun war dann endgültig der Punkt gekommen, in die Klinik zu fahren. Natürlich behielten die mich gleich da. Diagnose: Hyperemesis gravidarum (schlechte Blutwerte, dehydriert, Ketonkörper im Urin -das Übliche eben), ich bekam Infusionen mit MCP, Vitaminen, Elektrolyten und Glucose. Ich kämpfte mit dem Krankenhausessen, ekelte mich vor jeder Mahlzeit, würgte, versuchte mich aber zu konzentrieren, nicht zu kotzen, zu essen. Es gelang mir irgendwie. Die Geschichte mit dem schwarzen Blut im Erbrochenen WOLLTE ICH PARTOUT NICHT WIEDERHOLEN. Ich erbrach mich seit der Sache mit dem Blut kein einziges Mal mehr. Das Krankenhausessen blieb im Körper, auch wenn ich es nicht mit Appetit genießen konnte. Ich war fünf Tage dort. Bin seit gestern entlassen worden und glaube, die Übe lkeit nun in der 15 SSW (14+5) endgültig überstanden zu haben. Gestern war der erste Tag seit Wochen, an dem ich drei Mahlzeiten essen konnte OHNE ÜBELKEIT verspürt zu haben. Und was noch viel besser ist: ICH HATTE HUNGER UND SOGAR APPETIT AUF DEFTIGES ESSEN, das für mich sonst die reinste Hölle bedeutet hätte! Auch heute konnte ich ohne Übelkeit bereits zwei Mahlzeiten essen. Ich bin gerade so glücklich darüber, ein Stück alte Lebensqualität wiedergefunden zu haben! Es fühlt sich so an, als hätte ich ein großes Geschenk bekommen. Ich freue mich auf die Zukunft, nun endlich auch auf meine Schwangerschaft, auf das Baby und meine Rolle als Mutter, auf den nun langsam beginnenden Frühling, mein altes Leben mit gewohnter Aktivität und Lebensfreude! Ein Gutes hat dieser Terror deshalb gehabt: Es zeigt einem, wie schön das Leben wieder ist, das man manchmal nicht zu wertschätzen weiß. Allen Frauen, die eine Hyperemesis Schwangerschaft durchleiden, möchte ich m einen tiefsten Respekt aussprechen. Wie auch ich es erfahren habe, durchläuft man diese Krankheit meistens allein, mit Unverständnis von Seiten der Angehörigen. Ich hatte Glück mit dem Klinikpersonal (Allerdings hatte ich auch das Glück, im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, nicht mehr brechen zu müssen während meiner Zeit im Krankenhaus. Wer weiß mit welchen Äußerungen ich konfrontiert gewesen wäre, wenn ich doch gebrochen hätte). Weiterhin möchte ich auch allen Mut machen: Auch wenn man es sich gar nicht vorstellen kann: Aber diese Zeit wird eines Tages ein Ende haben und dieses Gefühl/Geschenk, sein Leben (und das Leben seines Kindes obendrein) (wieder)zu gewinnen, ist unbeschreiblich wundervoll! |