Leidensdruck

Sonea, Freitag, 13. Mai 2022, 12:03 (vor 882 Tagen)

Liebe Sonja, danke der Nachfrage. Es geht mir viel viel besser, was die Hyperemesis angeht. Ich habe lange versucht die Tabletten ausschleichen zu lassen, was aber erst in der 18. Woche funktioniert hat. Seitdem bin ich Tabletten- und Spuckfrei ????
Auch der Schwindel wurde immer besser, die Kraft kam zurück und damit die "Lebensfreude". Ich hatte ein paar gute Wochen mit nur wenigen Tagen an denen ich liegen musste. Also eigentlich könnte alles ganz toll sein.

Nun waren unsere Kinder eine Woche lang schlimm krank, mit 41 Fieber und ich ging auf dem Zahnfleisch. Denn nach wie vor ist alles sehr anstrengend. Wenn ich mich einmal übernehme (und da reicht manchmal schon das Haus saugen ????). Ich selber war zum Glück nur leicht krank. Als nun alle endlich wieder gesund waren und die Große wieder in den Kindi hätte gehen dürfen, bekam ich Corona. Aber wie. Ebenfalls 40 Fieber drei Tage lang, Kopf- und Gliederschmerzen, das volle Programm. Besonders schlimm war das Erbrechen. Kann man sich ja denken. Ich hatte noch nie im Leben so hoch Fieber und hab mir wirklich Sorgen gemacht, auch ums Baby. Heute ist der erste fieberfreie Tag und ich hoffe damit ist es bald überstanden!

Das Schlimmste ist nach wie vor die seelische Belastung. Ich bin völlig am Ende und ich habe keinerlei Reserven mehr. Die Hyperemesis, die Sorge um die Kinder, die schlaflosen Nächte, dann Corona und all das ohne jegliche mentale Unterstützung. Keine aufbauenden Worte von meinem Mann, keine netten Gesten, kein Mitgefühl. Und auch die Sorge um das Baby ist nur die meine.
Er macht was ich ihm auftrage (und ja mein Ton ist dabei nicht der netteste, aber ich habe ja bereits versucht zu erklären wie es mir geht. Seit Mitte Januar, ich kann einfach nicht mehr) aber das war es dann auch.
Und auch wenn ich in meiner Familie erkläre unter vielen vielen Tränen, dass ich nicht mehr kann, dass ich am liebsten die Kinder einpacken und weg möchte (was natürlich sowieso nicht machbar wäre, ich kann ja nicht einmal alleine einkaufen gehen), dann heißt es: wo willst du denn hin. Oder ich hätte mir die Situation ja selber ausgesucht
Natürlich... Wenn man das so will, habe ich mir die Situation natürlich selber zuzuschreiben. Immerhin habe ich mir noch ein Kind gewünscht. Also muss ich da nun eben auch ganz alleine durch.

Ich weiß nicht ob das jemand versteht, und das war jetzt vielleicht auch alles ein wenig wirr, aber musste Mal raus

Nach allem was ich hier gelesen habe, haben die meisten von euch tollen Rückhalt. Das ist schön und Gold wert. Beim ersten Kind hatte ich das tatsächlich auch noch. Beim zweiten schon wenig und jetzt ist davon leider gar nichts mehr übrig. Immerhin ist meine große Tochter alt genug und will manchmal den Bauch fühlen, redet viel vom Baby und überlegt sich mit mir schöne Namen ♥️

Leidensdruck

Sonja2 @, Freitag, 13. Mai 2022, 13:52 (vor 882 Tagen) @ Sonea

Liebe Sonea,

Du bist wahnsinnig stark, wie Du das durchstehst. Es ist die Hölle, die Du durchschritten hast. Das weiß ich. Ich weiß, wie schlimm das ist. Viele hier wissen das.

Hast Du es selber gewählt? Ja und nein. Du hast es wissentlich noch einmal auf Dich genommen. Weil der Wunsch nach dem dritten Kind groß genug war. Vielleicht auch, weil die Erinnerung etwas verblasst ist und rückblickend der ganze Horror nicht mehr so greifbar war. Seit 15 Jahren lese ich hier mit. Immer wieder sagen Frauen bei der 2. oder 3. Schwangerschaft, dass sie überrascht sind, wie schlimm es doch war und dass die Erinnerung daran verblasst war bis zu dem Moment, als es sie durch die neue Schwangerschaft erneut einholte.

Aber vielleicht hättest Du das auch trotz guter Erinnerung freiwillig gewählt, eben weil 9 Monate Elend gegen ein Leben mit einem Wunschkind abgewogen für das Leben mit dem Wunschkind sprechen. Und das zeugt von Mut und Stärke.

So und jetzt würde ich gerne Deinen Mann ins Gebet nahmen. Es gab mal eine Studie zu den Folgen des Abbruchs bei HG-Schwangerschaft. Diejenigen, die abgebrochen haben, berichteten seltener von Problemen in der Partnerschaft und seltener von Trennungen. Und das ist, was ich oft beobachten konnte: Die Belastung durch die HG-Schwangerschaft ist enorm. Wenn sie nicht von beiden Partnern mitgetragen wird, dann kann das die Beziehung zerreißen. In einer solch existenziellen Situation wie die der HG alleine gelassen zu sein reißt Wunden in die Beziehung, in die Freundschaften, in die Familiensysteme, die nur schwer und manchmal auch nicht mehr heilen. Das sollte er wissen. Da sollte niemand später erstaunt sein. Die Überforderung und auch das Unverständnis in der ersten Schwangerschaft ist verständlich. Da sein alle noch überrascht, können das Geschehen noch nicht einordnen. In der zweiten Schwangerschaft wünsche ich jeder Frau, dass ihr Mann bzw. ihre Frau hinter ihr steht und ihre Haare zurückhält, während sie sich übergibt und danach das Klo putzt. Das finde ich tatsächlich das Mindeste, was der Partner/die Partnerin tun kann.

Vielleicht kannst Du meine Hand auf Deiner Schulter spüren. Du bist damit nicht alleine.

Liebe Grüße, Sonja

Leidensdruck

Sonea, Dienstag, 17. Mai 2022, 11:03 (vor 878 Tagen) @ Sonja2

Ja, ich fürchte genauso wird es bei uns sein. Die Wunden sind so tief. Ich werde all das nicht vergessen können. Du solltest das sehen, ich liege auf dem Boden vor Schwindel und Fieber und mein Mann steigt über mich drüber.
Ich kriege keine Luft mehr, bildlich nicht und leider auch nicht in echt, durch den ganzen seelischen Ballast.

Und ich dachte, wenn ich es erst mal in den Mai geschafft habe, ist alles überstanden. Was für ein Trugschluss.

Leidensdruck

Sonea, Dienstag, 17. Mai 2022, 11:09 (vor 878 Tagen) @ Sonja2

Vielen Dank jedenfalls für deine Worte!! Auch wenn es nichts ändert, so tut es trotzdem gut zu wissen, dass da jemand ist der einen versteht und mal kurz zuhört.

Leidensdruck

Sonja2 @, Mittwoch, 25. Mai 2022, 18:43 (vor 870 Tagen) @ Sonea

Liebe Sonea,

wie geht es Dir inzwischen? Hast Du noch Beschwerden aufgrund der Covid-Infektion? Wie bist Du versorgt? Brichst Du noch? Behältst Du ausreichend Flüssigkeit bei Dir? Schau, dass Du durchhältst – das ist alles, was jetzt zählt! Mein Entsetzen über das, was Du geschrieben hast, ist groß. Das tut mir so unendlich leid für Dich.

Liebe Grüße, Sonja

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